„Medientransfer: Theater im Netz“. 3. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement, Berlin, 19.Mai 2001
Vortrag von Tom Stromberg während der Tagung „Unternehmen Kultur & Medien“ – 3. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement, Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin am 19. Mai 2001
Co-Vortrag, Design und Auswahl der Screenshots www.schauspielhaus.de:
John Eberstein, n.a.s.a.2.0 GmbH, Hamburg
Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg hat mit der neuen Intendanz im Jahr 2000 eine neue Website entwickelt, die viel Aufmerksamkeit bei Publikum und Presse erregt hat. Ich freue mich über die Gelegenheit, im Rahmen dieses Forums über das Verhältnis von Kultur und Medien die Website des Deutschen Schauspielhauses mit der 5ten Spielstätte vorstellen zu können.
Als ich zum Intendanten des Schauspielhauses berufen wurde, lagen vier Jahre Tätigkeit als Künstlerischer Leiter der Expo Hannover hinter mir. Vier Jahre intensiver Vorbereitungsarbeit für die Weltausstellung 2000. Die Herausforderung: Ein Angebot zu entwickeln für täglich hunderttausende Besucher an 153 Tagen im Jahr, ein Programm zwischen Party und Avantgarde, zwischen Fest und Faust. Und das alles live! Das war mir sehr wichtig, denn ich glaube, dass es eine Sehnsucht der Menschen gibt, sich zu begegnen, dabei zu sein, wenn die großen und die versteckten Sensationen passieren. Wir haben viele Stars eingeladen, zwei Orchester gegründet, unzählige Filme gezeigt, ein Tanztheaterfestival veranstaltet und vieles mehr.
Mit meiner Intendanz im Deutschen Schauspielhaus, die in den vergangenen Wochen und Monaten heftige Reaktionen bei Presse und Zuschauern ausgelöst hat, knüpfe ich an meine Theatererfahrungen als Intendant des Frankfurter Theaters am Turm (TAT) an. In den achtziger Jahren als Chefdramaturg und später als Intendant des Hauses reizten mich neue Formen der Darstellung, als ich verstärkt in- und ausländische Theaterprojekte nach Frankfurt einlud und später auch Eigenproduktionen erfolgreich entwickelte. Eine Bühne wie das TAT mit der Möglichkeit zur langfristigen Bindung des Publikums bot die Chance, neue Wege zu beschreiten und sich ins internationale Avantgarde-Netzwerk einzuklinken.
Mut zum Risiko gehörte schon dazu, aber den braucht man im Theatergeschäft allemal. Theaterleute wie die Belgier Jan Lauwers und der Bildende Künstler, Choreograph und Regisseur Jan Fabre, wie der Komponist und Regisseur Heiner Goebbels oder der junge Theaterregisseur Stefan Pucher waren damals beim Publikum noch relativ unbekannt, ihre Produktionen der Vernetzung verschiedener Künste eine ungewohnte Anforderung an die überlieferten Sehgewohnheiten im Theater.
Natürlich haben mich die Frankfurter Erfolge darin bestärkt, diesen Weg in Hamburg weiterzugehen. Das Theater ist und bleibt ein Medium der Zeitgenossenschaft und muss sich immer wieder damit auseinandersetzen, aktuell zu bleiben und nicht zum reinen „Literaturmuseum“ zu verkümmern. Unser Konzept für das Deutsche Schauspielhaus wurde dementsprechend sehr lebhaft diskutiert – inklusive Internetauftritt.
1. Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg seit der Spielzeit 2000/01
Das Deutsche Schauspielhaus hat im vergangenen Jahr seinen hundertsten Geburtstag gefeiert und ist als größte Sprechbühne Deutschlands in den Köpfen und Herzen der Hamburger und auswärtiger Theateranhänger fest verankert. Wie sehr, das habe ich als „Zugereister“ in den ersten Monaten meiner Intendanz erst so richtig erfahren. Das Schauspielhaus brauchte als ganzes Haus ein neues Konzept, um auch in Zukunft eine anregende Kunststätte bleiben zu können. Diese Meinung hat nicht jeder mit uns geteilt.
Natürlich war der Beginn unserer ersten Spielzeit ein scharfer Bruch und klarer Neuanfang. Anders kann es auch gar nicht sein. Große Institutionen wie die Staatstheater ermöglichen und sichern künstlerische Arbeit, aber sie erschweren auch neue künstlerische Impulse und brauchen deshalb immer wieder Innovationen. Nicht nur andere Aufführungen stehen auf dem Programm, auch neue Künstler stehen auf und hinter der Bühne, die Fassade und das Foyer wandeln sich, neue Restaurants und neue Spielstätten entstehen.
Wir haben uns entschieden, vieles neu zu machen: Mit zahlreichen Uraufführungen und neuen Stücken, mit jungen Schauspielerinnen und Schauspielern und mit jungen Hausregisseuren und Hausautoren, die wir fördern wollen. „Jung“ steht dabei selbstverständlich für uns nicht per se für Qualität. Die tritt unabhängig vom Lebensalter auf. „Jung“ steht für eine wache Fragehaltung an ein Theater, das nicht als statische Institution begriffen wird, die es partout so zu erhalten gilt, wie sie schon immer war. Im Gegenteil experimentieren die „Jungen“, wie wir sie meinen, unbefangen mit den theatralen Möglichkeiten. So spielt der französische Choreograph und Regisseur Jérôme Bel in seiner Tanz-Performance The show must go on! lustvoll mit den Erwartungshaltungen des Publikums. Oder der flämische Regisseur Jan Lauwers, der als Leiter der Needcompany international bekannt wurde, spaltet in seiner Inszenierung Ein Sturm nach Shakespeare das Publikum in Pro und Kontra, wenn er seine Shakespeare-Deutung in einer ungewöhnlichen Mischung aus Dramentext, Tanz und Musik vermittelt.
Sie können sich vorstellen, dass für mich der Wandel wichtigste Voraussetzung für ein lebendiges und waches Theater ist.
Wenn große Staatstheater wie das Schauspielhaus in der Erwartungshaltung mancher Zuschauer Garanten für eine nette, irritationsfreie Abendveranstaltung darstellen, dann kann ich nur sagen: Das ist meine Sache nicht. Behaglichkeit und Sicherheit, meine ich, kann es in einem Staatstheater auch mal geben, aber der vorrangige Auftrag an ein öffentlich subventioniertes Haus ist ein anderer. Das Theater ist als Ort der Kunst ein Ort der Gegenwart, der gegenwärtigen Präsentation. Unser Theater ist ein Raum, in dem relativ frei von den Festlegungen und Vorgaben des Alltags radikal damit experimentiert werden kann, welche Worte und Bilder unsere Welt konstituieren. Das ist nicht immer bequem und nicht immer angenehm. Aber sehr wichtig. Und nicht jede Aufführung ist erfolgsverwöhnt, wenn ein Theater Risiko, Wagnis und Experiment zu seinen Grundsätzen zählt. Das muss man klar sehen. Wir können nicht immerzu den Anspruch erfüllen, besseres Theater zu machen, aber wir haben den Anspruch, komplexes, gegenwartsrelevantes Theater zu zeigen.
Die Unterstützung und Förderung von Theatern als Räumen für Fragen der Weltsicht und Weltdeutung sollte sich eine Gesellschaft selbstverständlich leisten. Das ist absolut kein Luxus, auch wenn die Theaterleute heute nicht mehr die Richtung weisen können und wollen in einer orientierungslosen Gesellschaft. Auch sie haben kein Patentrezept – zum Glück -, aber wenn sie ihre Aufgabe ernstnehmen, bieten sie eine Plattform der Auseinandersetzung. Das verstehe ich als unsere Aufgabe. Sonst verkommt das Theater in der Musealisierung und archiviert nur noch die Theaterwerke der Tradition. Aber das Theater ist kein Museum – archivieren und ausstellen können andere besser als wir -, Theater ist ein Ort der Kunst. Und jede Gesellschaft klärt ganz lebendig wieder neu, was Kunst für sie ist.
Eine unserer von Publikum und Presse besonders wahrgenommenen Aufführungen ist Die Möwe von Tschechow in der Regie von Stefan Pucher, der zur Zeit in Zürich beim Regisseur und Intendanten Christoph Marthaler arbeitet. Pucher spielt in seiner Inszenierung der Möwe mit der Tradition des psychologisierenden Theaters und experimentiert damit, was Theater sein kann, wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Rolle nicht mehr verkörpern sondern ausstellen. Natürlich vermissen Theaterliebhaber mit einem festgelegten Verständnis von Repräsentation die gewohnte psychologische Tiefe in dieser Aufführung. Das regt die Diskussion an über Fragen nach dem Verhältnis von Theater und Welt, nach Abbild und Spiegelung in einer Gesellschaft, in der sich die Bedeutung von „Tiefe“ allgemein wandelt.
Natürlich brauchen diese veränderten ästhetischen Darstellungsformen Formen der Vermittlung ans Publikum. Wie in der Bildenden Kunst wird auch im Theater der Prozess der Kunstvermittlung immer wichtiger. Längst gibt sich die Kunst nicht mehr damit zufrieden, Realität abzubilden – wenn sie das je getan hat. Wissen über ästhetische Transformationsprozesse erweitert ganz einfach die Wahrnehmung: wer mehr weiß, sieht mehr. Und das ist nicht zu verwechseln mit „Bildungspflichten“, sondern macht Spaß.
Aber nicht nur die Werke und ihre Regisseure machen das Theater aus, wir haben auch ein anderes Konzept des gesamten Hauses. Wir begreifen das Schauspielhaus als einen Ort der Begegnung und des Austauschs. Das ist das Theater selbstredend immer gewesen. Der Theaterbesuch lebt fürs Publikum neben der Aufführung immer auch von den Momenten im Foyer und im Restaurant des Theaters vor und nach der Vorstellung. Unser Konzept der Öffnung geht aber sehr viel weiter.
Wir möchten das Publikum zusätzlich zum Aufführungsbesuch zu anderen Zeiten ins Haus ziehen, zu veränderten Veranstaltungsformen und Veranstaltungsorten. Wir möchten das Haus zu einem öffentlichen Ort machen. Gerade für jüngere Menschen wollen wir so die Schwellenangst vor dem ehernen Traditionsgebäude Staatstheater nehmen. Es geht ja nicht darum – wie einige Presseleute sich amüsiert haben – den Verzehr zu steigern, sondern dem Haus ein gewandeltes Image zu geben. Und das nicht als Selbstzweck, sondern für ein gewandeltes Theater als Stätte aktueller Kunst. Dabei gehen erfreulicherweise Marketing- und ästhetische Überlegungen Hand in Hand.
Besonders wichtig sind mir die neuen Spielstätten, denn die machen uns flexibler in unserem Angebot.
Natürlich gehören viele unserer Aufführungen von der bereits genannten Möwe über den sehr erfolgreichen Struwwwelpeter der Engländer Crouch/McDermott bis hin zu Schnitzlers Reigen auf die große Bühne und füllen den großen Zuschauerraum. Aktuelle Theaterstücke, die oft den theatralen Raum mitreflektieren und die festgefügten Rollen im Theater hinterfragen, brauchen andere Räume. Die Live-soap world wide web-slums in sieben wöchentlichen Folgen wurde im letzten Jahr mit großem Erfolg bei uns uraufgeführt. Autor und Regisseur ist unser Hausautor René Pollesch, der für die slums den Mülheimer Dramatikerpreis 2001 erhalten hat. In der Spielzeit 2001/02 wird er den „Prater“ der Berliner Volksbühne bei Frank Castorf bespielen. Diese ungewöhnliche Aufführung braucht einen anderen Raum als z. B. das Stück Gier der jungen englischen Dramatikerin Sarah Kane, das wir auf unserer kleinen Bühne, im Malersaal, aufführen. Die world wide web-slums verlangten nach einem intimen Raum kleiner Größe, in der die Distanz zwischen Zuschauer und Schauspieler weitgehend aufgehoben ist: Die neue Spielstätte im 2. Rangfoyer ist bestens geeignet gewesen für diese experimentelle Aufführung, die mit Erfolg bisher theaterferne junge Publikumsschichten angezogen hat. Im Mai fand bei uns nach dem großen Erfolg der ersten Teile die Uraufführung der Fortsetzung – world wide web-slums 8, 9, 10 – auf der großen Bühne statt – wiederum ein Experiment.
Unsere neue Spielstätte Neues Cinema in unmittelbarer Nähe zum Schauspielhaus hat aufgrund seiner besonderen medialen Vorgeschichte als Kino eine ganz eigene Ausstrahlung. Die wunderbaren Previews vor Beginn der neuen Intendanz ab Mai 2000 hatten mit dem Neuen Cinema den Rahmen für ein sehr gelungenes Entrée in Hamburg vor Beginn der ersten Spielzeit.
Diese räumlichen und inhaltlichen Öffnungen markieren die Notwendigkeit von Innovationen für die Institution Theater und verwandeln das Schauspielhaus langfristig – so unsere Idee – in einen bewegten Kunstraum in Benutzung, an dem zu verschiedenen Zeiten verschiedenste Veranstaltungen stattfinden, diskutiert und gelacht, gegessen und getrunken wird. Ein Theater, das Spaß macht, lebendig ist und überraschend, ein lässiger Ort intensiven gemeinschaftlichen Erlebens.
Besonders freue ich mich darüber, dass dieses offene Konzept so großzügig unterstützt wird durch unsere Partner Hapag Lloyd, Volksfürsorge Versicherungen, Dresdner Bank, Körber-Stiftung, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die BMW Niederlassung Hamburg und unsere Medien- und Kommunikationspartner Norddeutscher Rundfunk, die Werbeagentur Scholz & Friends und die Kommunikationsagentur für neue Medien n.a.s.a. 2.0., die unseren Internetauftritt entwickelt hat.
Das ist mein Stichwort, um nun zum Thema Internet zu kommen.
2. Das Schauspielhaus im Internet
Natürlich ist ein Theater mit solch einem offenen Konzept der Grenzüberschreitungen und medialen Überschneidungen geradezu verpflichtet, sich auch im Internet zu präsentieren. Das neueste Medium trifft auf das älteste!
Das Schauspielhaus hat eine umfangreiche Website in Zusammenarbeit mit der Hamburger Kommunikationsagentur für neue Medien n.a.s.a. 2.0 entwickelt und unter der Adresse www.schauspielhaus.de ins Netz gestellt. Natürlich muss es möglich sein, sich spontan und unkompliziert über unseren Spielplan und unsere Produktionen zu informieren, war unsere erste Überlegung. Diese Service-Erweiterungen des Hauses wurden auch von Anfang an sehr gut angenommen vom Publikum. Neben allgemeinen Informationen wie dem aktuellen Monatsspielplan, Fotos und Informationen zu allen Produktionen, Porträts unseres Ensembles sowie einem Gästebuch finden Sie auf unserer Website aber auch die 5te Spielstätte.
Die 5te Spielstätte ist ein virtuelles Angebot, das unsere vier realen Spielstätten ergänzt. Dort erlebt der Besucher aktuelle filmische Rundgänge durch unser Haus und kann einen Blick auf die Arbeit hinter den Kulissen werfen. Wir bieten einen monatlich stattfindenden Schreibwettbewerb an und entwickeln mit Autoren einen Kettenbriefroman. Der Besucher lernt unsere Hausautoren kennen, die im Rahmen des Autorenprojektes Schreibtheater eingeladen sind, in Hamburg zu wohnen, zu schreiben und die Arbeit am Schauspielhaus zu begleiten. Ein besonderer Höhepunkt der 5ten Spielstätte ist die Dokumentation der ersten sieben Folgen der world wide web – slums von René Pollesch, von denen bereits die Rede war. Im Internet jederzeit abrufbar!
Ausschlaggebend für diese erweiterte, anspruchsvollere Konzeption unseres Internetauftritts war natürlich der Wunsch, mit einer anregenden Internetseite unser Marketing-Konzept zu unterstützen. Natürlich ist es für uns als großes Staatstheater wichtig, in diesem neuen Medium präsent zu sein. Und das Internet als junges Medium ist für uns auch deshalb besonders reizvoll, weil wir damit bewusst ein jüngeres Publikum ansprechen können. Und wir wollten mehr, als es bisher möglich war, mit unseren Zuschauern kommunizieren. Wir wollten hören, was ihnen gefällt und was nicht, was sie sich wünschen und womit sie selber aktiv werden wollen.
Sie werden sicher alle mit mir übereinstimmen: Was Service und Marketing angehen, können Theater und Internet sinnvoll zusammenarbeiten. Auch als Repräsentationsmedium wie im Falle der world wide web-slums-Darstellung im Netz stellt das Internet einen Zugewinn dar.
Aber wie sieht es mit dem Internet als Aufführungsmedium fürs Theater aus? Können erhellende Verknüpfungen beider Medien stattfinden oder schließt sich dies per se aus? Welche Synergien sind sinnvoll? Und wo kann das Theater hinzugewinnen, seine Reichweite vergrößern? Was geschieht, wenn mit dem Theater das älteste Medium der Menschheit auf das bisher neueste, das Internet, trifft? Theater als kulturelle Wissensvermittlerin lebt von gesprochener Sprache und Körpersprache: Wie präsentiert sich das Medium Theater, das sich wesentlich über seine körperliche Präsenz definiert, im virtuellen Raum? Kann das neue Medium zu neuen künstlerischen Projekten inspirieren?
Einerseits ist die Schauspielkunst eine unerhört „altmodische“, konkrete Kunst, die mit den Neuen Medien nichts gemein zu haben scheint. Die körperliche Präsenz von Schauspielerinnen und Schauspielern ermöglicht durch Sprache und Körpersprache das Verlebendigen von Rollenfiguren und Geschichten, ein Live-Erlebnis, eine leibhaftige Erfahrung, die ihre Intensität durch das Dabeisein gewinnt. Wenn wir gutes Theater erleben, ist – pathetisch gesprochen – die Gemeinschaft im Zuschauerraum wie ein Rausch, die Körper der Schauspielerinnen und Schauspieler reizen und berühren, irritieren und belustigen, verstören und betören uns. Das ist sein Reiz und seine Einzigartigkeit. Ich hoffe, es ist klar geworden, dass die Befürchtung mancher Presseleute, wir würden uns mit einer guten Website selbst das Publikum wegnehmen, völlig unhaltbar ist: Der tatsächliche Theaterbesuch ist selbstredend unverzichtbar.
Andererseits teilt das Theater aber auch Gemeinsamkeiten mit den neuen Medien: Wichtiger als das (Kunst)Objekt ist beiden die Beziehung, im Theater zwischen Schauspieler und Publikum, im Internet zwischen Anbieter und Nutzer. Feedback gibt es bei beiden sofort, beide praktizieren Teilnahme (im Gegensatz etwa zur Literatur). Und das ist ausgesprochen zeitgemäss.
Theater ist nah dran an Zeitgenossenschaft ohne zeitgeistig zu sein, wenn es sich für dieses neue Kunstverständnis öffnet. Voraussetzung ist für mich das oben angesprochene veränderte Verständnis der Institution Theater. Wir versuchen
– mit gewandelten Wahrnehmungsformen von der Linearität zur Komplexität
– mit dem fürs Theater typischen Prozesscharakter seiner Kommunikation
– mit dem Verhältnis von Fakten und Fiktionen
zu experimentieren.
Auf dieser anspruchsvollen Ebene sind durchaus interessante Theaterprojekte im Internet denkbar, die beide Medien befruchten können. Sonst ist das Internet fürs Theater nur Spielerei. Nichts gegen Spielerei: Auch Theater und Fußball haben eine Menge gemeinsam: den Triumph des Nicht-Rationalen, des Unlogischen, der Überraschung über eine ansonsten allzu kalkulierbare Welt.
Im Verhältnis zum technischen Medium Internet sind aber vielleicht letztlich doch die Unterschiede bedeutsamer als die Gemeinsamkeiten: Repräsentation bedeutet im Theater Intensivierung und Verdichtung, Repräsentation in den technischen Medien Erweiterung des Menschen und seiner Möglichkeiten.
Sie sehen: Genaugenommen passen Theater und Internet überhaupt nicht zusammen. Aber die Verbindung macht trotzdem Spaß.