„Das vorenthaltene Video“ Beitrag in „Ich gründe eine Akademie für Selbstachtung“. Moritz-Rinke-Arbeitsbuch, hrsg. von Kai Bremer, Frankfurt/M. 2010

Veröffentlicht von Thomas am

 
Mit meinem Freund Moritz Rinke teile ich viele Interessen, auch wenn wir uns leider nicht sehr häufig sehen – Fußball, Tennis, Theater, Lesen. Aus zwei Gründen ist diese Freundschaft jedoch etwas getrübt … . Seit Jahren verzehre ich mich nach einem Tennis-Video, das Rinke mir vorenthält. Ja und dann trennt uns noch – ich will ehrlich sein: ein klitzekleines bisschen Neid, denn Rinke ist ein Fußballstar. Langsam kann ich es nicht mehr hören: Moritz Rinke streicht 1000 Komplimente ein für seine Leistungen in der Schriftsteller-Elf, der deutschen Nationalmannschaft der Fußballspielenden Autoren. Rinke sei der stärkste Spieler der Mannschaft, soll der Trainer Hans Meyer gesagt haben. Fotos von Rinke im Trikot am Pool der deutschen Nationalmannschaft und von Rinkes Siegertor gegen Italien machen mich ebenso ungnädig wie die Tatsache, dass Meyer seine Schriftsteller-Mannschaft zur Vizeweltmeisterschaft führen konnte … Fußball, Fußball, Fußball. Und wer interessiert sich für Tennis?

     Moritz Rinke und ich führten bisher zwei legendäre Tennismatches. Rinke, der ja eine Zeitlang im Bundeskanzleramt ein und aus ging, dort las, berat und guten Wein trank, berichtete mir vor einigen Jahren, dass der Bundeskanzler ihn zu einem Tennismatch herausgefordert habe – zu einem Doppel. Schröder würde sich mit einem guten Mann verstärken, und er – Rinke – habe sich für mich als Partner entschieden.

     Wir trafen uns also in Schröders Heimatstadt Hannover in einer Tennishalle und spielten vor einem Haufen Sicherheitsleuten Tennis. Schröder kam ehrgeizig daher, sein sportliches Einschlagen machte mir klar, dass eine gewisse Substanz vorhanden war, die ein interessantes Spiel versprach. Schröders Partner machte einen passablen Eindruck und Moritz spielte gut, stark, souverän. Ich sah an seinen Anlagen, dass er in früher Jugend Trainerstunden genossen hatte. Nachdem wir den ersten Satz locker 6:1 gewonnen hatten und Schröders Miene sich deutlich verdunkelte, nahm ich Rinke zur Seite und wies ihn darauf hin, dass uns ein wohlverdientes Essen und ein freundliches Gespräch nach diesem Spiel wohl nur sicher seien, wenn wir uns im zweiten Satz etwas zurück hielten. Das taten wir auch und gewannen diesen zweiten Satz ‚nur’ 7:5. Schröder war zufrieden und lud uns zu einem Spargel-Essen an den Maschsee in Hannover ein.

     Mein mitgefahrener Neffe vergnügte sich während des Essens mit den Pistolen der Sicherheitsleute, während wir mit Doris und Tochter Klara zu Mittag aßen. Schröder erwähnte das Tennisspiel nicht mehr und auch Rinke und ich versuchten, über andere Dinge zu reden. Wann hat man schon Gelegenheit, dem Bundeskanzler den einen oder anderen Hinweis in Sachen Kultur zu geben? Gefruchtet haben diese Hinweise natürlich alle – nichts!

     Einige Monate später wurde ich dazu berufen, ein Theaterprojekt für die documenta 10 zu verwirklichen und bat Rinke, die Sache als Dokumentarist zu begleiten. Rinke nahm freudig an und witterte eine Chance auf Wiederaufnahme unseres Tennisspiels. Diesmal aber, meinte er, sollten wir doch mal ein Einzel gegeneinander spielen. Ich sagte sofort zu (ich hatte ihn ja beim Doppel erlebt), und wir trafen uns auf einer Rotsandanlage in Kassel.

     Rinke – siegessicher – hatte eine Freundin mitgebracht, die auf dem Schiedsrichterstuhl Platz nahm und Weisung hatte, das gesamte Spiel per Video zu filmen. Vermutlich mit dem Hintergedanken, seinen Triumph hinterher auf großer Leinwand ausführlich genießen zu können. Die Wahrheit ist, dass ich Rinke in zwei Sätzen glatt abgefertigt habe und das Video bis heute nicht zu sehen bekam. Das muss sich ändern … .

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