„Shooting Bourbaki – Ein Knabenschießen“. Impulse Festivalheft 2002

Veröffentlicht von Thomas am


von Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel

In: „Impulse“ Festivalheft 2002

Tom Stromberg

Halbwüchsige auf der Bühne. Mit Waffen in der Hand. In vollem Einsatz. Die Waffen sind nicht „echt“, wie vieles bei diesem Theaterstück. Aber die Zuschauer verfolgen auf einer Leinwand die Schüsse der Jungen in einem „echten“ Schießstand. Die Jungen kommentieren ihre Treffer, führen die Waffen im elterlichen Haus vor, erzählen von Marilyn Manson ebenso wie vom Schicksal des General Bourbaki im deutsch-französischen Krieg. Sie bewegen ihre Lippen zu Rededuellen aus „Star Wars“, rangeln, stolpern in der Hitze des Gefechts über ihren Text, imitieren Angriffsgebärden aus Filmen, Computerspielen, Rockkonzerten. Adrian, Valentin, Ahmed, Diego und Thomas, die fünf Protagonisten zwischen 13 und 15 Jahren, spielen uns etwas vor, bis die Authentizität ihrer Geschichten in Fiktion übergeht und die Fiktion real wird. Sie sind keine Schauspieler, sie sind, was sie darstellen. Oder nicht?

Mit „Shooting Bourbaki“, einer Produktion über Schuss und Gegenschuss, Angriff, Aggression und Verteidigung, über die Welt von Jugendlichen und das Erwachsenwerden, ist dem deutsch-schweizerischen Regie-Trio Haug/Kaegi/Wetzel eine ungewöhnliche Produktion gelungen, die Theater jenseits der Konventionen neu versteht. „Es ist heute wichtig zu sehen, dass man Theater als ein Medium benützen kann, das etwas zu berichten hat über die Welt“, beschreibt Wetzel die Antriebsfeder ihrer in gleichberechtigter Zusammenarbeit entstehenden Projekte. Kein wie auch immer gearteter Text, sondern eine Themenrecherche, eine Ortserkundung stand auch diesmal am Anfang – Feldforschung in einem neutralen Land, das vor Waffen strotzt. Die Spielstätte UG, Studiobühne des Luzerner Theaters, versteht sich programmatisch, ist sie doch selbst ein ehemaliger Schießstand. Nebenan trainiert die Luzerner Polizei in einem der modernsten unterirdischen Schiessstände von Zentraleuropa und im Waffengeschäft ein paar Schritte weiter wurde im letzten Jahr der Verkäufer erschossen.

Die Jungen geben in ihrer Kompetenz als Spezialisten Einblick in ihre Machtfantasien, ihre Musik, ihrer Erprobung von Erwachsenenrollen. Im Spiel mit Fiktion und Medialität wird die Faszination der Waffen ohne jede Moralisierung erfahrbar gemacht. Indem die Jungen nicht nur etwas machen, sondern auch schildern, was sie da tun, kommentieren sich die Facetten des Erwachsenwerdens wie die komplexen Mittel der Inszenierung immer auf ebenso kluge wie unterhaltsame Weise gegenseitig.

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