„Theater als Praxis und Erfahrung. Tom Stromberg über seine Firma mit Peter Zadek“. Neue Zürcher Zeitung, 13. Juli 2005

Veröffentlicht von Thomas am

«My Way» heisst ein autobiografisches Buch des Regisseurs Peter Zadek. Den Titel übernehmen er und sein Sozius Tom Stromberg nun für ihre Firma, die einerseits Theaterproduktionen entwickeln soll und sich anderseits der Weiterbildung widmen will.

VON JOACHIM GÜNTNER

Vielleicht würde Peter Zadek seine Absichten prononcierter darstellen und das Projekt als Akt der Rebellion deklarieren. Für Tom Stromberg aber verbindet sich mit der gemeinschaftlichen Gründung der Firma «My Way Productions» «überhaupt kein Dogma». Ein ideologischer Anstrich nach dem Motto «Heute muss man in die freie Szene gehen, die Staatstheater sind am Ende» sei genau das, was er nicht wolle, betont Stromberg, dessen Vertrag als Intendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg nicht verlängert wurde und der sich jetzt mit Regie-Altmeister Zadek zusammengetan hat, um mit einer eigenen Produktionsgesellschaft Theaterstücke zu inszenieren und sie an Festivals oder als Gastspiele zu verkaufen. Bei der scherzhaften Unterstellung, es müsse also das Leben als Landkommunarde sein, was ihn reize, in dem brandenburgischen Dorf Streckenthin ein altes Gutshaus zu beziehen, lacht Stromberg. Manche Journalisten fragten ihn gar, ob er dann mit Zadek gemeinsam kochen würde. Der wohne dort aber nicht einmal. Im Übrigen liege Streckenthin nur acht Minuten von der Autobahn Hamburg-Berlin.

Eine Truppe aus Stars

Eine kleine utopische Note hat die Sache aber doch. Zadek kann sich jetzt den Traum von einer eignen Truppe erfüllen: nicht am Staatstheater angestellt sein, frei produzieren und das internationale Renommee mit Gastspielen mehren. Seine berühmten Mimen – Susanne Lothar, Eva Matthes, Angela Winkler, Uwe Bohm, Friedrich- Karl Praetorius, Hans-Michael Rehberg, Otto Sander – bringt Zadek mit. Die drei Damen waren noch nie zusammen auf der Bühne; man darf neugierig sein, wenn es nun dazu kommt. Als Erstes nimmt sich Zadek, der ja gleich drei grosse Stücke von Shakespeare plant, «Was ihr wollt» vor. Schlicht will er den Klassiker inszenieren, ohne grossen Ausstattungsaufwand, lebend ganz von der Kraft der Schauspieler. Wären es nicht gut dotierte Festivals wie die Ruhr-Triennale oder die Berliner Festspiele, denen man Inszenierungen verkauft, so wäre es beinahe wie zu Lebzeiten des englischen Dramatikers, als viele Theaterleute durch die Lande tingelten. Ein historisierendes Wappen führt «My Way Productions» schon im Logo – es fehlen nur die Pferdefuhrwerke.

Finanzielle Motive scheinen weder Zadek noch Stromberg zu treiben. Zusammen mit ihrer Partnerin, der einstigen Zadek-Schülerin und späteren Verlegerin Antje Landshoff-Ellermann, haben sie ihre Firma als gemeinnützige Gesellschaft gegründet, die schon von Rechts wegen keinen Gewinn machen darf. Das Betriebskapital von 25 000 Euro ist eher schmal. Über das Risiko, das ganze Unternehmen von einem fast achtzigjährigen Zugpferd ziehen zu lassen, ist sich Stromberg im Klaren, weigert sich aber, den schlimmsten Fall anzunehmen: «Peter wird uns alle überleben, er ist ein zäher Hund.»

Stromberg mag es nicht sonderlich, sich selbst bei der Rollenverteilung auf das Geschäftliche reduziert zu sehen. Er sei nicht Zadeks Manager, sondern der Geschäftsführer, der sich um alle Belange der Produktion kümmere, «wie ein Intendant». Auch nennt er das zweite Standbein des Projekts, eine Theater-Akademie für Postgraduierte, seinen eigenen speziellen Beitrag, ja seine Bedingung für die Zusammenarbeit mit Peter Zadek. Die Legende will, dass die beiden nach einer Hamburger Aufführung des «Othello» von Stefan Pucher zwei Stunden über diese Inszenierung gestritten haben, bis es Stromberg aufging, dass statt seiner eigentlich der junge Regisseur mit dem Meister das Gespräch führen müsste.

Austausch zwischen Generationen

Stromberg vermeinte, einen grundsätzlichen Mangel an Austausch zwischen den Regie-Generationen entdeckt zu haben, und steuerte die Idee der «My Way Akademie» bei. Zadek, der vor ein paar Jahren an der Schauspiel-Hochschule Ernst Busch in Berlin unterrichtet hat, sei sofort interessiert gewesen. Allerdings klingt die Bezeichnung «Akademie» ein bisschen hochtrabend für eine Einrichtung, an der acht bis zehn Studenten (mit Studienabschluss oder Berufserfahrung, gleich ob in Regie, Schauspiel, Kostümbildnerei oder einer anderen Sparte) Zadeks künftige freie Produktionen mit vorbereiten, die Aufführungen begleiten und zum Abschluss selber ein Projekt auf die Beine stellen.

Indes versteht es Stromberg, diese ebenso kleine wie mobile, nur bisweilen in Streckenthin Station machende Lehranstalt in helles Licht zu setzen. Es sei doch «eine wahnsinnige Erfahrung», mit einem Stück auf Tour zu gehen und es in fremden Häusern einzurichten. Auf blosses Zadek-Proben-Gucken, wie wir ihm vorhalten, beschränke sich die Sache keinesfalls. Und dass es am Ende kein Diplom oder Zeugnis gebe, sei auch kein Mangel, könne doch jeder Absolvent sagen, er habe ein Jahr lang mit Zadek gearbeitet. Ein gutes Argument – aber welcher Student wird dann überhaupt noch Neigung verspüren, bei den anderen, weniger namhaften Dozenten zu lernen? Angeblich ist schon jetzt das Interesse gross, und das liegt gewiss nicht daran, dass die Studenten, statt Gebühren zahlen zu müssen, ein von einer Stiftung finanziertes Stipendium erhalten sollen. Die Bewerbungsfrist endet im Oktober, im April 2006 soll es losgehen.

Neue Zürcher Zeitung, 13. Juli 2005

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