„Tom Strombergs neuer Wohnsitz. Der Schauspielhaus-Intendant geht aufs Land – und gründet mit Peter Zadek eine Theaterproduktions-GmbH“. Hamburger Abendblatt, 21. Februar 2005

Veröffentlicht von Thomas am

VON HANS-JUERGEN FINK 

Hamburg – „Ich werde reiten“, orakelte Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg im Dezember 2004 im Abendblatt auf die Frage nach Zukunftsplänen. Jetzt sind sie so konkret, daß er darüber spricht – und einen gewissen Stolz nicht verbergen kann: Gemeinsam mit Regie-Genie Peter Zadek hat er eine Theaterproduktions-GmbH gegründet, die den Namen „My Way Production“ trägt – in Anspielung an „My Way“, den Titel von Zadeks 1998 erschienener Autobiographie. An der Firma beteiligt ist auch Verlegerin Antje Landshoff-Ellermann (Ex-Rogner & Bernhard). Geplant ist jährlich eine große Shakespeare-Produktion, insgesamt drei, unter der Regie von Peter Zadek, deren erste – „Was ihr wollt“ – 2006, im Jahr von Zadeks 80. Geburtstag, auf Bühnen im deutschsprachigen und internationalen Raum kommen soll. 

34 Vorstellungen sind festgezurrt, sagt der 44 Jahre alte Noch-Intendant Stromberg, dessen Amtszeit im Juli 2005 endet. Als Startpunkt wünscht er sich Bochum und die Ruhr-Triennale unter der Leitung von Jürgen Flimm. Aber auch die Wiener Festwochen und die Berliner Festspiele sollen gewillt sein, sich an der Großproduktion finanziell zu beteiligen. Auch andere Bühnen wollen die Inszenierung zeigen. Die Schauspieler sollen im wesentlichen aus Zadeks Theaterfamilie kommen, unter ihnen Susanne Lothar, Eva Mattes und Angela Winkler, die noch nie gemeinsam auf der Bühne standen. 

Das Hauptquartier für die Produktion, mit der Stromberg und Zadek im Frühjahr 2006 beginnen wollen, wird Strombergs künftiger Wohnort sein: ein geräumiges, renovierungsbedürftiges Gutshaus, das er gemeinsam mit Freunden gekauft hat. Im brandenburgischen Streckenthin bei Wittstock, in Autobahnnähe fast auf halbem Weg zwischen Hamburg und Berlin. Dort gibt es auch eine große Probenhalle. 

Hier wollen Stromberg und Zadek nicht nur abseits von den Zwängen eines festen Theaters ihre Produktionen entwickeln, sondern – ein Herzensanliegen der beiden – auch ein generationenübergreifendes Postgraduate-Projekt für Bühnenberufe initiieren. In ihm können acht bis zehn junge Leute mit abgeschlossenem Studium ausgebildet werden, zum Beispiel in Regie, Musik, Dramaturgie, Produktion. Einen Geldgeber auch dafür hat Stromberg bereits an der Hand. Diese hochkarätigen Ausbildungsplätze werden im Sommer 2004 ausgeschrieben. 

Die Aufgabenverteilung der neuen Shakespeare-GmbH ist unschwer zu erkennen: Zadek, 1985 bis 1989 ebenfalls Intendant am Hamburger Schauspielhaus, ist als künstlerischer Leiter erfahren in Skandalen wie Triumphen. Stromberg spielt als umtriebiger und erfolgreicher Schauspiel-Manager eine Rolle, die er bereits am Frankfurter „Theater am Turm“ und beim Rahmenprogramm der Expo 2000 in Hannover ausgefüllt hatte und die man ihm jetzt, nach seinem bislang furiosen Endspurt in Hamburg mit „Othello“ und „Faust 1“, auch wieder zutraut. 

Stromberg war im Jahr 2000 von der damaligen Kultursenatorin Christina Weiss nach Hamburg geholt worden und hatte zunächst heftige Schwierigkeiten. Unorthodoxe, gesellschaftskritisch-provokative, aber nicht immer geglückte Programmideen lockten zwar junge Zuschauer in Scharen, vergraulten aber einen erheblichen Teil des gut zahlenden traditionellen Schauspielhaus-Publikums. Das führte zeitweise zu dramatischem Besucherschwund und in der Folge dazu, daß Weiss‘ Nachfolgerin Dana Horáková dafür sorgte, daß Strombergs Vertrag nicht verlängert wurde. 

Peter Zadek war zuletzt wieder häufiger am Schauspielhaus gesichtet worden, zum Beispiel als Besucher in Stefan Puchers aktuellem „Othello“, der ihm allerdings nur gequältes Lächeln entlockte und den er laut “ Focus“ als „Schrott-Theater“ tituliert haben soll, nicht ohne hinzuzufügen: „Wir haben auch Schrott-Theater gemacht“, womit er sein Theater meinte, das damals ebenfalls Konventionen sprengte. 

Oder Ende November 2004, als drei in Berlin unerwünschte Großfotos aus Zadeks Schauspielhaus-„Othello“ von 1976 mit der nackten Eva Mattes als Desdemona Asyl an der Kirchenallee fanden. Damals erinnerte sich der Regie-Riese: „Das gab einen entsetzlichen Krach im Publikum, man konnte den Text nicht mehr verstehen. So müßte Theater öfter sein.“ 

Stromberg freut sich vor allem darauf, daß in ländlicher Abgeschiedenheit eine intensivere Auseinandersetzung mit Stücken und Menschen möglich wird, als das im Getriebe einer Großstadt oder eines Großstadttheaters je denkbar wäre – Zukunftsmodell für die Realisierung großer Theater-Ereignisse? 

Nach dem Ende der Schauspielhaus-Zeit wird Tom Stromberg zunächst aber selbst als Regisseur aktiv: In Madrid inszeniert er für „La casa encendida“ John Bergers „Will it be a likeness“ („Ist es, ist es nicht?“), ein Hörspiel, das er schon 1996 am „Theater am Turm“ realisiert hatte. Danach geht die Arbeit für „Was ihr wollt“ los – und in Streckenthin bleibt ihm hoffentlich auch genug Zeit zum Reiten: „Das lerne ich tatsächlich seit drei Jahren.“ 

Hamburger Abendblatt, 21. Februar 2005 

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