„Mein Name ist Stromberg, Tom Stromberg“ Die WELT, 10. August 2000

Veröffentlicht von Thomas am

Eine persönliche Vorstellung des neuen Intendanten des Deutschen

Schauspielhauses – Gerührt, nicht geschüttelt

VON ANNA ARNOLD

Kleine Jungs wollen für gewöhnlich – wenn sie mal groß sind – etwas

werden, das mit Schnelligkeit, Krach und Mut zu tun hat. In aller

Regel also Feuerwehrmann, Lokomotivführer oder Pilot. Intendant eher

nicht. Es sei denn, sie wachsen in einer Theaterfamilie auf. Wie Tom

Stromberg, der schon als kleiner Junge in Papas Besetzungslisten und

Budgetaufstellungen für Unordnung sorgte. Der Vater des gebürtigen

Wilhelmshaveners war Regisseur und Theaterchef, seine Mutter Tänzerin.

Stromberg dürfte mithin einer der wenigen Theaterleiter im Lande sein,

von denen sich mit Fug und Recht behaupten lässt, dass ihnen ihr Beruf

in die Wiege gelegt wurde. Lernen musste er ihn trotzdem.

Ein Theaterwissenschaftsstudium tauschte er bald gegen eine

Dramaturgieassistenz am TAT (Theater am Turm) in Frankfurt am Main, wo

ihn die Schauspielerin und Regisseurin Elke Lang unter ihre Fittiche

nahm. Dort diente er sich bis zum Intendanten hoch; in einem Netzwerk

von Theaterzentren in Belgien, Holland, Österreich und Deutschland

koproduzierte er internationales Avantgardetheater der 80er- Jahre,

unter anderen Jan Fabre, die Wooster Group, die Needcompany.

1996 warf Stromberg auf Grund einer Etatkürzung im Frankfurter

Theaterstreit mit großer Geste das Handtuch. Er inszenierte einen

kulturpolitischen Skandal und ging leichten Herzens. Denn es lockten

bereits Anschlussengagements in Hannover (Expo) und Kassel (documenta

X). Dabei fiel meist nur Insidern der kleinen bundesrepublikanischen

Theaterwelt auf, dass Stromberg seit über zehn Jahren von den immer

gleichen fünf Theatergruppen zehrte. Alte Frankfurter Weggefährten wie

Heiner Goebbels und Schützlinge wie Stefan Pucher waren damals wie

heute mit von der Partie.

Nachdem Stromberg schon vor Jahren die ihm von der Hamburger

Kultursenatorin offerierte Leitung der Kampnagel-Fabrik ausgeschlagen

hatte – das Budget war ihm zu niedrig – , bekam Christina Weiß nun die

Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Gesucht wurde ein Nachfolger für

Frank Baumbauer, den bis dato erfolgreichsten Theaterchef der

Republik. Und da Stromberg alle Welt hatte wissen lassen, dass er

„nicht auch noch mit vierzig in Gummistiefeln in undichten Hallen

stehen könne“, schien das Deutsche Schauspielhaus genau das Richtige

zu sein.

Was Tom Stromberg nicht leiden kann, sind Kulturpessimisten. Wer ihm

demnächst in der neuen Torbar im Durchgang zwischen Kirchenallee und

Malersaal begegnen sollte, wird – vermutlich bei einem Gläschen

Champagner und zwischen zwei Bissen Hummer – mit seinem bei Karl Marx

entlehnten Leitmotto bekannt gemacht: „Die Kunst ist nicht der Spiegel

der Wirklichkeit, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.“

Er liebt den Gestaltungsspielraum als solchen, wie er sich auch im

neuen Logo des Deutschen Schauspielhauses ausdrückt: Ein schlichtes,

kreisrundes Loch. Offen für alles. Es erinnert aber auch an die

legendäre Torwand des ZDF-Sportstudios. Fußball, das ist neben den

Schauspielerinnen die andere große Liebe Tom Strombergs. Und die

Hamburger dürfen gespannt sein, für wen der James Bond der Theaterwelt

sich entscheiden wird: den kleinen FC St. Pauli oder den großen HSV.

Die WELT, 10. August 2000

Kategorien: Presse